2. 1. Warum gibt es das AMNOG?
1.1 GKV-Arzneimittelmarkt 2009/2010
- Freie Preisbildung des pharmazeutischen Unternehmers
(P.U.) nach Marktzulassung (BfArm, EMA); zugelassene
Arzneimittel sind erstattungsfähig, keine Positivliste;
- Festbetragsmarkt (generische Wirkstoffe, vergleichbare
Wirkstoffe, vergleichbare Wirkung): Erstattungsobergrenzen
- Nicht-Festbetragsmarkt (insbesondere Spezialpräparate):
keine Preisregulierung, Listenpreis P.U. = Erstattungspreis
Dr. Ulrich Orlowski 2
3. 1. Warum gibt es das AMNOG?
- Folge:
„… die hohen Ausgabenzuwächse der vergangenen Jahre
haben dazu geführt, dass im Jahr 2009 einschließlich der
Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. € für Arznei-
mittel ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch
Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: + 8,9 %),
während die GKV-Umsätze mit Festbetragsarzneimitteln
sinken (2009: -2 %). Wachstumsträger sind kostenintensive
Spezialpräparate mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten. Ihr
Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 %,
obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt.“
(Eckpunkte, April 2010
Dr. Ulrich Orlowski 3
4. 1. Warum gibt es das AMNOG?
1.2 Konsequenz dieses Befundes
- D – als Hochpreisland für nicht festbetragsgeregelte
(Spezial)Präparate;
- D – als einziges Land (neben Malta), das für derartige
Arzneimittel keine Preisregulierung hat;
- D – größter europäischer Absatzmarkt und als Referenz-
preisland im internationalen Preisbildungssystem;
- GKV-Ausgaben für Nicht-Festbetragsmarkt (Spezialpräparate)
umgekehrt proportional zu den Verordnungszahlen;
Steigerungsrate: Hauptursache für Wachstum der Arznei-
mittelausgaben
Dr. Ulrich Orlowski 4
5. 1. Warum gibt es das AMNOG?
1.3 Handlungsbedarf
- in dem von der großen Koalition (GKV-WSG 2007) geregelten
Finanzierungssystem der GKV (einheitlich gesetzlicher Bei-
tragssatz, prozentuale Zusatzbeiträge für Mitglieder) ist ein
Ergebnis nicht darstellbar d.h.: steigende Preise für Spezial-
präparate einerseits und Zusatzbeiträge der Versicherten
andererseits;
- in dem von der Regierungskoalition weiterentwickeltem
Finanzierungssystem (GKV-FinG) mit fixen, einkommens-
unabhänigen Zusatzbeiträgen ist ein derartiges Ergebnis
schon gar nicht hinnehmbar;
Dr. Ulrich Orlowski 5
6. 1. Warum gibt es das AMNOG?
1.4 Konsequenzen
▪ es bleibt beim freien Zugang zum GKV-Markt nach Zulassung
und bei der freien Preisbildung des P.U‘s. (für das erste Jahr);
▪ Übergangsregelung der Preise für Nicht-Festbetragsprodukte
(Herstellerabschlag 16 % für 3 Jahre);
Dr. Ulrich Orlowski 6
7. 1. Warum gibt es das AMNOG?
▪ neues Bewertungsverfahren für neue Wirkstoffe im G-BA und
Preisverhandlungen auf Bundesebene (GKV-SpiBu und P.U.);
▪ einseitige Preisfestsetzung durch P.U. wird durch marktwirt-
schaftliches Preisverhandlungsmodell ersetzt (im internati-
onalen bzw. europäischen Vergleich eine Selbstverständ-
lichkeit).
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8. 2. Was ist das AMNOG?
2.1 Frühe Nutzenbewertung für neue Wirkstoffe
- für alle neuen Wirkstoffe (nicht bekannt in medizinischer
Wissenschaft bei Zulassung) wird auf der Grundlage eines
vom P.U. eingereichten Dosiers eine frühe Nutzenbewertung
(Zusatznutzen) durch das IQWiG durchgeführt, auf deren
Grundlage der GKV-SpiBu und der P.U. für das Gesamt-
system den Erstattungspreis verhandeln und festsetzen
(§ 35a Abs. 1, § 130b Abs. 1);
- Ziel: spätestens ein Jahr nach Markteintritt gilt der verhandelte
Erstattungspreis (auch für PKV/Beihilfe: Geltungsanordnung
für Gesamtmarkt);
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9. 2. Was ist das AMNOG?
- für alle neuen Wirkstoffe, die pharmakologisch therapeutisch
mit Festbetragsarzneimittel vergleichbar sind, ist der Zusatz-
nutzen als therapeutische Verbesserung nachzuweisen
(§ 35 Abs. 1 b Satz 1 – 5);
- gelingt dieser Nachweis mit dem Dosier des P.U. nicht, Zu-
ordnung des Produktes zur Festbetragsgruppe (§ 35a Abs. 4);
Dr. Ulrich Orlowski 9
10. 2. Was ist das AMNOG?
- für neue Wirkstoffe,
▪ bei denen kein Zusatznutzen belegt ist nach der frühen
Nutzenbewertung und
▪ die auch keine therapeutische Verbesserung zu pharma-
kologisch-therapeutisch vergleichbaren Festbetragsarznei-
mitteln sind,
▪ Erstattungsbetrag mit nicht höheren Jahrestherapiekosten
als die zweckmäßige Vergleichstherapie (§ 130b Abs. 3)
Dr. Ulrich Orlowski 10
11. 2. Was ist das AMNOG?
2.2 Konsequenzen
- für alle neuen Wirkstoffe (ab 2011) erfolgt entweder:
▪ Zuordnung zum Festbetragssystem,
▪ Erstattungspreis aufgrund des Zusatznutzens oder
▪ Erstattungspreis (nicht höher als generische Vergleichs-
therapie bei nicht nachgewiesenem Zusatznutzen).
- Ausnahme:
▪ Feststellung durch G-BA bei zu erwartenden geringfügigen
Ausgaben (§ 35a Abs. 1a);
▪ Orphan-Drugs: medizinischer Zusatznutzen gilt als belegt
unterhalb der Umsatzschwelle von 50 Mio. € (§ 35a Abs. 1
Satz 10)
Dr. Ulrich Orlowski 11
12. 2. Was ist das AMNOG?
2.3 Was haben wir damit erreicht?
- erster Erstattungsbeitrag vereinbart: Ticagrelor, Brilique
(Astra Zeneca);
- 4 Marktrücknahmen von Arzneimitteln nach Abschluss
der N.B.;
- G-BA hat 18 frühe Nutzenbewertungen abgeschlossen,
9 weitere Arzneimittel finden sich im Bewertungsverfahren,
2 wurden in bestehende Festbetragsgruppen eingruppiert;
Dr. Ulrich Orlowski 12
13. 2. Was ist das AMNOG?
- G-BA hat für rd. die Hälfte der bewerteten Arzneimittel für
bestimmte Patientengruppen einen Zusatznutzen festgestellt
(gering bis beträchtlich);
- G-BA hat 68 Beratungsanfragen (zum Dossier) bekommen;
Schwerpunkt: zweckmäßige Vergleichtherapie (in 5 Fällen
hat sich P.U. nicht an die Empfehlung bzw. Festlegung des
G-BA gehalten).
Dr. Ulrich Orlowski 13
14. 2. Was ist das AMNOG?
2.4 Bestandsmarkt (wie geht es weiter?)
- ökonomische und politische Bewertung zur Nutzenbewertung
gilt nicht nur für Neumarkt sondern natürlich auch für den
Bestandsmarkt (d.h. neue = noch patentgeschützte Arznei-
mittel auf dem Markt vor 2011).
Dr. Ulrich Orlowski 14
15. 2. Was ist das AMNOG?
- G-BA kann (und wird und soll) Bestandsmarkt zur frühen
Nutzenbewertung aufrufen; dabei kommen vorrangig paten-
geschützte Wirkstoffe in Betracht, die
▪ für die Versorgung von Bedeutung sind,
▪ mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die eine Nutzen-
bewertung bereits erfolgt ist (§ 35a Abs. 6 Satz 2)
▪ Beispiel: Gliptine, Diabetes (aktueller Beschluss des G-BA
für den Bestandsmarkt)
Dr. Ulrich Orlowski 15
16. 2. Was ist das AMNOG?
- Gesamtergebnis:
▪ für alle neuen Wirkstoffe des Neumarktes sowie insbeson-
dere versorgungs- oder wettbewerbsrelevante patentge-
schützte Wirkstoffe des Altmarktes wird neues Erstattungs-
preissystem erreicht!;
▪ Ausgangspunkt: 2009/2010 wird in sein Gegenteil verkehrt
Dr. Ulrich Orlowski 16
17. 3. Wie hat das AMNOG-System bisher funk-
tioniert und was sollte verbessert werden
(2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrecht-
licher Vorschriften)?
Dr. Ulrich Orlowski 17
18. 3. Einzelkritik
3.1 Wiederholung der frühen Nutzenbewertung
(§ 35a Abs. 5 – neu):
- bisher: frühestens ein Jahr nach Nutzenbewertung bei Vorlage
neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse;
- neu: falls Zusatznutzen als nicht nachgewiesen gilt wegen
(falscher) zweckmäßiger Vergleichstherapie: ausnahmsweise
neues Verfahren bis zum 31.12.2012;
Dr. Ulrich Orlowski 18
19. 3. Einzelkritik
3.2 Maßgeblicher Länderkorb für die Preisbildung
(§ 130b Abs. 4; Schiedsstelle)
- bisher: „Höhe des tatsächlichen Abgabepreises in anderen
europäischen Ländern“;
- Schiedsspruch: 15 Länder;
- neu: andere europäische Länder mit vergleichbarer Kauf-
kraftparität und vergleichbarem Umsatz.
Dr. Ulrich Orlowski 19
20. 3. Einzelkritik
3.3 Vertraulichkeit?
- Vertraulichkeit heißt nur: keine Listung!
(Beispiel: Listenpreis: 100 €;
vereinbarter Erstattungspreis: 90 €);
- Technik: bisher: Rabattierung erfolgt beim P.U.; Apotheke
gibt zum Erstattungspreis ab (Selbstzahler!); Erstattungspreis
wird gelistet! (Lauertaxe: 90 €);
- Vorschlag VFA: Apotheker gibt zum Listenpreis des Herstel-
lers ab (Lauertaxe: 100 €); Kassen holen sich Rabatt vom
P.U. zurück;
Dr. Ulrich Orlowski 20
21. 3. Einzelkritik
- Inkassorisiko wird auf Krankenkassen verlagert; Selbstzahler
(Selbstbehaltstarif) gehen leer aus, Zielerreichung zweifelhaft;
- das AMNOG-System verlangt vom P.U. gerade umgekehrt die
Übermittlung der tatsächlichen europäischen Abgabepreise für
den Länderkorb (§ 130b Abs. 1 Satz 9), d.h. können wir den
anderen europäischen Staaten das vorenthalten, was wir
selber verlangen??
- wer soll diese „Vertraulichkeitsrendite“ bekommen: nur der
deutsche Verbraucher oder auch die europäischen Ver-
braucher?
Dr. Ulrich Orlowski 21
22. 3. Einzelkritik
3.4 Erstattungsbetragsniveau?
- zweckmäßige Vergleichstherapie: z.B. generische Therapie
(Diabetes, Metformin);
- Preisniveau: generisches Niveau?;
- bisher: Aufgabe der Rahmenvertragspartner für Preisver-
handlungen (SpiBu, Pharma): zusätzliche Kriterien für Er-
stattungsbetragsvereinbarungen;
Dr. Ulrich Orlowski 22
23. 3. Einzelkritik
- Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sollen
angemessen berücksichtigt werden (§ 130b Abs. 6 Satz 3);
▪ vergleichbare Arzneimittel: nur generische Therapie?
▪ auch patentgeschützte Therapie? (z.B. patentgeschützte
Gliptine);
Dr. Ulrich Orlowski 23
24. 4. Grundsätzlich??
4.1 Lernendes System:
- G-BA (Expertenworkshop), Gesetzgeber bereit das
AMNOG-System weiter zu entwickeln soweit notwendig und
sinnvoll!;
- Stabilität des neuen Bewertungsverfahrens muss grundsätz-
lich gewahrt bleiben soweit nicht …..?
Dr. Ulrich Orlowski 24
25. 4. Grundsätzlich??
4.2 Attraktivität von Innovationen auf deutschem Markt zu
diesen Konditionen?
- freier Marktzugang mit freier Preisbildung des P.U. bleibt !
(Alternative: obligatorische frühe Nutzenbewertung vor
Marktzugang);
- frühe Nutzenbewertung belohnt Zusatznutzen in transparen-
tem, schnellen und fairen Verfahren;
Dr. Ulrich Orlowski 25
26. 4. Grundsätzlich??
- Verhandlungen des Erstattungsbetrages erlauben:
▪ Berücksichtigung von F. u. E.! (Ziel ist nicht das generische
Preisniveau!);
▪ Anforderungen an Qualität, Zweckmäßigkeit und Wirt-
schaftlichkeit V.O.;
▪ Vertragspartner haben es in der Hand, Erstattungsbetrag
und –konditionen zu vereinbaren, die Innovationsrendite
berücksichtigen.
Dr. Ulrich Orlowski 26
27. 4. Grundsätzlich??
4.3 Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen?
- bisherige Verlässlichkeit? (1992 bis 2009);
- zukünftige Verlässlichkeit:
▪ Stabilität der Rahmenbedingungen im „lernenden System“?
Dr. Ulrich Orlowski 27
28. 4. Grundsätzlich??
4.4 „Was haben wir sonst noch so gemacht?“
- Kartellrecht (Rabattverträge, 8. GWB-Novelle);
- AMNOG (§ 140b Abs. 1 Nr. 8,9): P.U. als Vertragspartner
von Krankenkassen bei Integrationsverträgen
Dr. Ulrich Orlowski 28
29. Ich bedanke mich für Ihre
Aufmerksamkeit!
Dr. Ulrich Orlowski 29