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AMNOG - Zwischenbilanz

Fachtagung „Pharmastandort Deutschland“
               - Berlin -
             28. Juni 2012




            Dr. Ulrich Orlowski

                                     1
1. Warum gibt es das AMNOG?
1.1 GKV-Arzneimittelmarkt 2009/2010

- Freie Preisbildung des pharmazeutischen Unternehmers
  (P.U.) nach Marktzulassung (BfArm, EMA); zugelassene
  Arzneimittel sind erstattungsfähig, keine Positivliste;

- Festbetragsmarkt (generische Wirkstoffe, vergleichbare
  Wirkstoffe, vergleichbare Wirkung): Erstattungsobergrenzen

- Nicht-Festbetragsmarkt (insbesondere Spezialpräparate):
  keine Preisregulierung, Listenpreis P.U. = Erstattungspreis



 Dr. Ulrich Orlowski                                            2
1. Warum gibt es das AMNOG?
- Folge:

„… die hohen Ausgabenzuwächse der vergangenen Jahre
haben dazu geführt, dass im Jahr 2009 einschließlich der
Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. € für Arznei-
mittel ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch
Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: + 8,9 %),
während die GKV-Umsätze mit Festbetragsarzneimitteln
sinken (2009: -2 %). Wachstumsträger sind kostenintensive
Spezialpräparate mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten. Ihr
Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 %,
obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt.“
(Eckpunkte, April 2010
 Dr. Ulrich Orlowski                                       3
1. Warum gibt es das AMNOG?
1.2 Konsequenz dieses Befundes

- D – als Hochpreisland für nicht festbetragsgeregelte
  (Spezial)Präparate;

- D – als einziges Land (neben Malta), das für derartige
  Arzneimittel keine Preisregulierung hat;

- D – größter europäischer Absatzmarkt und als Referenz-
  preisland im internationalen Preisbildungssystem;

- GKV-Ausgaben für Nicht-Festbetragsmarkt (Spezialpräparate)
  umgekehrt proportional zu den Verordnungszahlen;
  Steigerungsrate: Hauptursache für Wachstum der Arznei-
  mittelausgaben
 Dr. Ulrich Orlowski                                       4
1. Warum gibt es das AMNOG?
1.3 Handlungsbedarf

- in dem von der großen Koalition (GKV-WSG 2007) geregelten
  Finanzierungssystem der GKV (einheitlich gesetzlicher Bei-
  tragssatz, prozentuale Zusatzbeiträge für Mitglieder) ist ein
  Ergebnis nicht darstellbar d.h.: steigende Preise für Spezial-
  präparate einerseits und Zusatzbeiträge der Versicherten
  andererseits;

- in dem von der Regierungskoalition weiterentwickeltem
  Finanzierungssystem (GKV-FinG) mit fixen, einkommens-
  unabhänigen Zusatzbeiträgen ist ein derartiges Ergebnis
  schon gar nicht hinnehmbar;
 Dr. Ulrich Orlowski                                        5
1. Warum gibt es das AMNOG?


1.4 Konsequenzen

▪ es bleibt beim freien Zugang zum GKV-Markt nach Zulassung
  und bei der freien Preisbildung des P.U‘s. (für das erste Jahr);

▪ Übergangsregelung der Preise für Nicht-Festbetragsprodukte
  (Herstellerabschlag 16 % für 3 Jahre);




 Dr. Ulrich Orlowski                                           6
1. Warum gibt es das AMNOG?


▪ neues Bewertungsverfahren für neue Wirkstoffe im G-BA und
  Preisverhandlungen auf Bundesebene (GKV-SpiBu und P.U.);

▪ einseitige Preisfestsetzung durch P.U. wird durch marktwirt-
  schaftliches Preisverhandlungsmodell ersetzt (im internati-
  onalen bzw. europäischen Vergleich eine Selbstverständ-
  lichkeit).




 Dr. Ulrich Orlowski                                         7
2. Was ist das AMNOG?
2.1 Frühe Nutzenbewertung für neue Wirkstoffe

- für alle neuen Wirkstoffe (nicht bekannt in medizinischer
  Wissenschaft bei Zulassung) wird auf der Grundlage eines
  vom P.U. eingereichten Dosiers eine frühe Nutzenbewertung
  (Zusatznutzen) durch das IQWiG durchgeführt, auf deren
  Grundlage der GKV-SpiBu und der P.U. für das Gesamt-
  system den Erstattungspreis verhandeln und festsetzen
  (§ 35a Abs. 1, § 130b Abs. 1);

- Ziel: spätestens ein Jahr nach Markteintritt gilt der verhandelte
  Erstattungspreis (auch für PKV/Beihilfe: Geltungsanordnung
  für Gesamtmarkt);
 Dr. Ulrich Orlowski                                           8
2. Was ist das AMNOG?


- für alle neuen Wirkstoffe, die pharmakologisch therapeutisch
  mit Festbetragsarzneimittel vergleichbar sind, ist der Zusatz-
  nutzen als therapeutische Verbesserung nachzuweisen
  (§ 35 Abs. 1 b Satz 1 – 5);

- gelingt dieser Nachweis mit dem Dosier des P.U. nicht, Zu-
  ordnung des Produktes zur Festbetragsgruppe (§ 35a Abs. 4);




  Dr. Ulrich Orlowski                                         9
2. Was ist das AMNOG?


- für neue Wirkstoffe,

 ▪ bei denen kein Zusatznutzen belegt ist nach der frühen
   Nutzenbewertung und
 ▪ die auch keine therapeutische Verbesserung zu pharma-
   kologisch-therapeutisch vergleichbaren Festbetragsarznei-
   mitteln sind,
 ▪ Erstattungsbetrag mit nicht höheren Jahrestherapiekosten
   als die zweckmäßige Vergleichstherapie (§ 130b Abs. 3)



  Dr. Ulrich Orlowski                                      10
2. Was ist das AMNOG?
2.2 Konsequenzen
- für alle neuen Wirkstoffe (ab 2011) erfolgt entweder:

 ▪ Zuordnung zum Festbetragssystem,
 ▪ Erstattungspreis aufgrund des Zusatznutzens oder
 ▪ Erstattungspreis (nicht höher als generische Vergleichs-
   therapie bei nicht nachgewiesenem Zusatznutzen).

- Ausnahme:

 ▪ Feststellung durch G-BA bei zu erwartenden geringfügigen
   Ausgaben (§ 35a Abs. 1a);
 ▪ Orphan-Drugs: medizinischer Zusatznutzen gilt als belegt
   unterhalb der Umsatzschwelle von 50 Mio. € (§ 35a Abs. 1
   Satz 10)
 Dr. Ulrich Orlowski                                          11
2. Was ist das AMNOG?
2.3 Was haben wir damit erreicht?

- erster Erstattungsbeitrag vereinbart: Ticagrelor, Brilique
  (Astra Zeneca);

- 4 Marktrücknahmen von Arzneimitteln nach Abschluss
  der N.B.;

- G-BA hat 18 frühe Nutzenbewertungen abgeschlossen,
  9 weitere Arzneimittel finden sich im Bewertungsverfahren,
  2 wurden in bestehende Festbetragsgruppen eingruppiert;


 Dr. Ulrich Orlowski                                           12
2. Was ist das AMNOG?

- G-BA hat für rd. die Hälfte der bewerteten Arzneimittel für
  bestimmte Patientengruppen einen Zusatznutzen festgestellt
  (gering bis beträchtlich);

- G-BA hat 68 Beratungsanfragen (zum Dossier) bekommen;
  Schwerpunkt: zweckmäßige Vergleichtherapie (in 5 Fällen
  hat sich P.U. nicht an die Empfehlung bzw. Festlegung des
  G-BA gehalten).




 Dr. Ulrich Orlowski                                      13
2. Was ist das AMNOG?

2.4 Bestandsmarkt (wie geht es weiter?)

- ökonomische und politische Bewertung zur Nutzenbewertung
  gilt nicht nur für Neumarkt sondern natürlich auch für den
  Bestandsmarkt (d.h. neue = noch patentgeschützte Arznei-
  mittel auf dem Markt vor 2011).




 Dr. Ulrich Orlowski                                    14
2. Was ist das AMNOG?

- G-BA kann (und wird und soll) Bestandsmarkt zur frühen
  Nutzenbewertung aufrufen; dabei kommen vorrangig paten-
  geschützte Wirkstoffe in Betracht, die

 ▪ für die Versorgung von Bedeutung sind,
 ▪ mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die eine Nutzen-
   bewertung bereits erfolgt ist (§ 35a Abs. 6 Satz 2)
 ▪ Beispiel: Gliptine, Diabetes (aktueller Beschluss des G-BA
   für den Bestandsmarkt)



 Dr. Ulrich Orlowski                                       15
2. Was ist das AMNOG?

- Gesamtergebnis:

 ▪ für alle neuen Wirkstoffe des Neumarktes sowie insbeson-
   dere versorgungs- oder wettbewerbsrelevante patentge-
   schützte Wirkstoffe des Altmarktes wird neues Erstattungs-
   preissystem erreicht!;
 ▪ Ausgangspunkt: 2009/2010 wird in sein Gegenteil verkehrt




 Dr. Ulrich Orlowski                                      16
3. Wie hat das AMNOG-System bisher funk-
   tioniert und was sollte verbessert werden
   (2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrecht-
   licher Vorschriften)?




 Dr. Ulrich Orlowski                        17
3. Einzelkritik
3.1 Wiederholung der frühen Nutzenbewertung
    (§ 35a Abs. 5 – neu):

- bisher: frühestens ein Jahr nach Nutzenbewertung bei Vorlage
  neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse;

- neu: falls Zusatznutzen als nicht nachgewiesen gilt wegen
  (falscher) zweckmäßiger Vergleichstherapie: ausnahmsweise
  neues Verfahren bis zum 31.12.2012;




 Dr. Ulrich Orlowski                                     18
3. Einzelkritik
3.2 Maßgeblicher Länderkorb für die Preisbildung
   (§ 130b Abs. 4; Schiedsstelle)

- bisher: „Höhe des tatsächlichen Abgabepreises in anderen
  europäischen Ländern“;

- Schiedsspruch: 15 Länder;

- neu: andere europäische Länder mit vergleichbarer Kauf-
  kraftparität und vergleichbarem Umsatz.



 Dr. Ulrich Orlowski                                        19
3. Einzelkritik

3.3 Vertraulichkeit?

- Vertraulichkeit heißt nur: keine Listung!
  (Beispiel: Listenpreis: 100 €;
             vereinbarter Erstattungspreis: 90 €);

- Technik: bisher: Rabattierung erfolgt beim P.U.; Apotheke
  gibt zum Erstattungspreis ab (Selbstzahler!); Erstattungspreis
  wird gelistet! (Lauertaxe: 90 €);

- Vorschlag VFA: Apotheker gibt zum Listenpreis des Herstel-
  lers ab (Lauertaxe: 100 €); Kassen holen sich Rabatt vom
  P.U. zurück;
 Dr. Ulrich Orlowski                                        20
3. Einzelkritik

- Inkassorisiko wird auf Krankenkassen verlagert; Selbstzahler
  (Selbstbehaltstarif) gehen leer aus, Zielerreichung zweifelhaft;

- das AMNOG-System verlangt vom P.U. gerade umgekehrt die
  Übermittlung der tatsächlichen europäischen Abgabepreise für
  den Länderkorb (§ 130b Abs. 1 Satz 9), d.h. können wir den
  anderen europäischen Staaten das vorenthalten, was wir
  selber verlangen??

- wer soll diese „Vertraulichkeitsrendite“ bekommen: nur der
  deutsche Verbraucher oder auch die europäischen Ver-
  braucher?
 Dr. Ulrich Orlowski                                          21
3. Einzelkritik

3.4 Erstattungsbetragsniveau?

- zweckmäßige Vergleichstherapie: z.B. generische Therapie
  (Diabetes, Metformin);

- Preisniveau: generisches Niveau?;

- bisher: Aufgabe der Rahmenvertragspartner für Preisver-
  handlungen (SpiBu, Pharma): zusätzliche Kriterien für Er-
  stattungsbetragsvereinbarungen;



 Dr. Ulrich Orlowski                                          22
3. Einzelkritik


- Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sollen
  angemessen berücksichtigt werden (§ 130b Abs. 6 Satz 3);

 ▪ vergleichbare Arzneimittel: nur generische Therapie?
 ▪ auch patentgeschützte Therapie? (z.B. patentgeschützte
   Gliptine);




 Dr. Ulrich Orlowski                                        23
4. Grundsätzlich??

4.1 Lernendes System:

- G-BA (Expertenworkshop), Gesetzgeber bereit das
  AMNOG-System weiter zu entwickeln soweit notwendig und
  sinnvoll!;

- Stabilität des neuen Bewertungsverfahrens muss grundsätz-
  lich gewahrt bleiben soweit nicht …..?




 Dr. Ulrich Orlowski                                    24
4. Grundsätzlich??

4.2 Attraktivität von Innovationen auf deutschem Markt zu
    diesen Konditionen?

- freier Marktzugang mit freier Preisbildung des P.U. bleibt !
  (Alternative: obligatorische frühe Nutzenbewertung vor
  Marktzugang);

- frühe Nutzenbewertung belohnt Zusatznutzen in transparen-
  tem, schnellen und fairen Verfahren;




 Dr. Ulrich Orlowski                                             25
4. Grundsätzlich??

- Verhandlungen des Erstattungsbetrages erlauben:

 ▪ Berücksichtigung von F. u. E.! (Ziel ist nicht das generische
   Preisniveau!);
 ▪ Anforderungen an Qualität, Zweckmäßigkeit und Wirt-
   schaftlichkeit V.O.;
 ▪ Vertragspartner haben es in der Hand, Erstattungsbetrag
   und –konditionen zu vereinbaren, die Innovationsrendite
   berücksichtigen.




 Dr. Ulrich Orlowski                                         26
4. Grundsätzlich??

4.3 Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen?

- bisherige Verlässlichkeit? (1992 bis 2009);

- zukünftige Verlässlichkeit:
  ▪ Stabilität der Rahmenbedingungen im „lernenden System“?




 Dr. Ulrich Orlowski                                    27
4. Grundsätzlich??

4.4 „Was haben wir sonst noch so gemacht?“

- Kartellrecht (Rabattverträge, 8. GWB-Novelle);

- AMNOG (§ 140b Abs. 1 Nr. 8,9): P.U. als Vertragspartner
  von Krankenkassen bei Integrationsverträgen




 Dr. Ulrich Orlowski                                    28
Ich bedanke mich für Ihre

                      Aufmerksamkeit!




Dr. Ulrich Orlowski                           29

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Pharmastandort Deutschland: AMNOG Zwischenbilanz

  • 1. AMNOG - Zwischenbilanz Fachtagung „Pharmastandort Deutschland“ - Berlin - 28. Juni 2012 Dr. Ulrich Orlowski 1
  • 2. 1. Warum gibt es das AMNOG? 1.1 GKV-Arzneimittelmarkt 2009/2010 - Freie Preisbildung des pharmazeutischen Unternehmers (P.U.) nach Marktzulassung (BfArm, EMA); zugelassene Arzneimittel sind erstattungsfähig, keine Positivliste; - Festbetragsmarkt (generische Wirkstoffe, vergleichbare Wirkstoffe, vergleichbare Wirkung): Erstattungsobergrenzen - Nicht-Festbetragsmarkt (insbesondere Spezialpräparate): keine Preisregulierung, Listenpreis P.U. = Erstattungspreis Dr. Ulrich Orlowski 2
  • 3. 1. Warum gibt es das AMNOG? - Folge: „… die hohen Ausgabenzuwächse der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass im Jahr 2009 einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. € für Arznei- mittel ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch Arzneimittel ohne Festbetrag verursacht (2009: + 8,9 %), während die GKV-Umsätze mit Festbetragsarzneimitteln sinken (2009: -2 %). Wachstumsträger sind kostenintensive Spezialpräparate mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rund 26 %, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt.“ (Eckpunkte, April 2010 Dr. Ulrich Orlowski 3
  • 4. 1. Warum gibt es das AMNOG? 1.2 Konsequenz dieses Befundes - D – als Hochpreisland für nicht festbetragsgeregelte (Spezial)Präparate; - D – als einziges Land (neben Malta), das für derartige Arzneimittel keine Preisregulierung hat; - D – größter europäischer Absatzmarkt und als Referenz- preisland im internationalen Preisbildungssystem; - GKV-Ausgaben für Nicht-Festbetragsmarkt (Spezialpräparate) umgekehrt proportional zu den Verordnungszahlen; Steigerungsrate: Hauptursache für Wachstum der Arznei- mittelausgaben Dr. Ulrich Orlowski 4
  • 5. 1. Warum gibt es das AMNOG? 1.3 Handlungsbedarf - in dem von der großen Koalition (GKV-WSG 2007) geregelten Finanzierungssystem der GKV (einheitlich gesetzlicher Bei- tragssatz, prozentuale Zusatzbeiträge für Mitglieder) ist ein Ergebnis nicht darstellbar d.h.: steigende Preise für Spezial- präparate einerseits und Zusatzbeiträge der Versicherten andererseits; - in dem von der Regierungskoalition weiterentwickeltem Finanzierungssystem (GKV-FinG) mit fixen, einkommens- unabhänigen Zusatzbeiträgen ist ein derartiges Ergebnis schon gar nicht hinnehmbar; Dr. Ulrich Orlowski 5
  • 6. 1. Warum gibt es das AMNOG? 1.4 Konsequenzen ▪ es bleibt beim freien Zugang zum GKV-Markt nach Zulassung und bei der freien Preisbildung des P.U‘s. (für das erste Jahr); ▪ Übergangsregelung der Preise für Nicht-Festbetragsprodukte (Herstellerabschlag 16 % für 3 Jahre); Dr. Ulrich Orlowski 6
  • 7. 1. Warum gibt es das AMNOG? ▪ neues Bewertungsverfahren für neue Wirkstoffe im G-BA und Preisverhandlungen auf Bundesebene (GKV-SpiBu und P.U.); ▪ einseitige Preisfestsetzung durch P.U. wird durch marktwirt- schaftliches Preisverhandlungsmodell ersetzt (im internati- onalen bzw. europäischen Vergleich eine Selbstverständ- lichkeit). Dr. Ulrich Orlowski 7
  • 8. 2. Was ist das AMNOG? 2.1 Frühe Nutzenbewertung für neue Wirkstoffe - für alle neuen Wirkstoffe (nicht bekannt in medizinischer Wissenschaft bei Zulassung) wird auf der Grundlage eines vom P.U. eingereichten Dosiers eine frühe Nutzenbewertung (Zusatznutzen) durch das IQWiG durchgeführt, auf deren Grundlage der GKV-SpiBu und der P.U. für das Gesamt- system den Erstattungspreis verhandeln und festsetzen (§ 35a Abs. 1, § 130b Abs. 1); - Ziel: spätestens ein Jahr nach Markteintritt gilt der verhandelte Erstattungspreis (auch für PKV/Beihilfe: Geltungsanordnung für Gesamtmarkt); Dr. Ulrich Orlowski 8
  • 9. 2. Was ist das AMNOG? - für alle neuen Wirkstoffe, die pharmakologisch therapeutisch mit Festbetragsarzneimittel vergleichbar sind, ist der Zusatz- nutzen als therapeutische Verbesserung nachzuweisen (§ 35 Abs. 1 b Satz 1 – 5); - gelingt dieser Nachweis mit dem Dosier des P.U. nicht, Zu- ordnung des Produktes zur Festbetragsgruppe (§ 35a Abs. 4); Dr. Ulrich Orlowski 9
  • 10. 2. Was ist das AMNOG? - für neue Wirkstoffe, ▪ bei denen kein Zusatznutzen belegt ist nach der frühen Nutzenbewertung und ▪ die auch keine therapeutische Verbesserung zu pharma- kologisch-therapeutisch vergleichbaren Festbetragsarznei- mitteln sind, ▪ Erstattungsbetrag mit nicht höheren Jahrestherapiekosten als die zweckmäßige Vergleichstherapie (§ 130b Abs. 3) Dr. Ulrich Orlowski 10
  • 11. 2. Was ist das AMNOG? 2.2 Konsequenzen - für alle neuen Wirkstoffe (ab 2011) erfolgt entweder: ▪ Zuordnung zum Festbetragssystem, ▪ Erstattungspreis aufgrund des Zusatznutzens oder ▪ Erstattungspreis (nicht höher als generische Vergleichs- therapie bei nicht nachgewiesenem Zusatznutzen). - Ausnahme: ▪ Feststellung durch G-BA bei zu erwartenden geringfügigen Ausgaben (§ 35a Abs. 1a); ▪ Orphan-Drugs: medizinischer Zusatznutzen gilt als belegt unterhalb der Umsatzschwelle von 50 Mio. € (§ 35a Abs. 1 Satz 10) Dr. Ulrich Orlowski 11
  • 12. 2. Was ist das AMNOG? 2.3 Was haben wir damit erreicht? - erster Erstattungsbeitrag vereinbart: Ticagrelor, Brilique (Astra Zeneca); - 4 Marktrücknahmen von Arzneimitteln nach Abschluss der N.B.; - G-BA hat 18 frühe Nutzenbewertungen abgeschlossen, 9 weitere Arzneimittel finden sich im Bewertungsverfahren, 2 wurden in bestehende Festbetragsgruppen eingruppiert; Dr. Ulrich Orlowski 12
  • 13. 2. Was ist das AMNOG? - G-BA hat für rd. die Hälfte der bewerteten Arzneimittel für bestimmte Patientengruppen einen Zusatznutzen festgestellt (gering bis beträchtlich); - G-BA hat 68 Beratungsanfragen (zum Dossier) bekommen; Schwerpunkt: zweckmäßige Vergleichtherapie (in 5 Fällen hat sich P.U. nicht an die Empfehlung bzw. Festlegung des G-BA gehalten). Dr. Ulrich Orlowski 13
  • 14. 2. Was ist das AMNOG? 2.4 Bestandsmarkt (wie geht es weiter?) - ökonomische und politische Bewertung zur Nutzenbewertung gilt nicht nur für Neumarkt sondern natürlich auch für den Bestandsmarkt (d.h. neue = noch patentgeschützte Arznei- mittel auf dem Markt vor 2011). Dr. Ulrich Orlowski 14
  • 15. 2. Was ist das AMNOG? - G-BA kann (und wird und soll) Bestandsmarkt zur frühen Nutzenbewertung aufrufen; dabei kommen vorrangig paten- geschützte Wirkstoffe in Betracht, die ▪ für die Versorgung von Bedeutung sind, ▪ mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die eine Nutzen- bewertung bereits erfolgt ist (§ 35a Abs. 6 Satz 2) ▪ Beispiel: Gliptine, Diabetes (aktueller Beschluss des G-BA für den Bestandsmarkt) Dr. Ulrich Orlowski 15
  • 16. 2. Was ist das AMNOG? - Gesamtergebnis: ▪ für alle neuen Wirkstoffe des Neumarktes sowie insbeson- dere versorgungs- oder wettbewerbsrelevante patentge- schützte Wirkstoffe des Altmarktes wird neues Erstattungs- preissystem erreicht!; ▪ Ausgangspunkt: 2009/2010 wird in sein Gegenteil verkehrt Dr. Ulrich Orlowski 16
  • 17. 3. Wie hat das AMNOG-System bisher funk- tioniert und was sollte verbessert werden (2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrecht- licher Vorschriften)? Dr. Ulrich Orlowski 17
  • 18. 3. Einzelkritik 3.1 Wiederholung der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 5 – neu): - bisher: frühestens ein Jahr nach Nutzenbewertung bei Vorlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse; - neu: falls Zusatznutzen als nicht nachgewiesen gilt wegen (falscher) zweckmäßiger Vergleichstherapie: ausnahmsweise neues Verfahren bis zum 31.12.2012; Dr. Ulrich Orlowski 18
  • 19. 3. Einzelkritik 3.2 Maßgeblicher Länderkorb für die Preisbildung (§ 130b Abs. 4; Schiedsstelle) - bisher: „Höhe des tatsächlichen Abgabepreises in anderen europäischen Ländern“; - Schiedsspruch: 15 Länder; - neu: andere europäische Länder mit vergleichbarer Kauf- kraftparität und vergleichbarem Umsatz. Dr. Ulrich Orlowski 19
  • 20. 3. Einzelkritik 3.3 Vertraulichkeit? - Vertraulichkeit heißt nur: keine Listung! (Beispiel: Listenpreis: 100 €; vereinbarter Erstattungspreis: 90 €); - Technik: bisher: Rabattierung erfolgt beim P.U.; Apotheke gibt zum Erstattungspreis ab (Selbstzahler!); Erstattungspreis wird gelistet! (Lauertaxe: 90 €); - Vorschlag VFA: Apotheker gibt zum Listenpreis des Herstel- lers ab (Lauertaxe: 100 €); Kassen holen sich Rabatt vom P.U. zurück; Dr. Ulrich Orlowski 20
  • 21. 3. Einzelkritik - Inkassorisiko wird auf Krankenkassen verlagert; Selbstzahler (Selbstbehaltstarif) gehen leer aus, Zielerreichung zweifelhaft; - das AMNOG-System verlangt vom P.U. gerade umgekehrt die Übermittlung der tatsächlichen europäischen Abgabepreise für den Länderkorb (§ 130b Abs. 1 Satz 9), d.h. können wir den anderen europäischen Staaten das vorenthalten, was wir selber verlangen?? - wer soll diese „Vertraulichkeitsrendite“ bekommen: nur der deutsche Verbraucher oder auch die europäischen Ver- braucher? Dr. Ulrich Orlowski 21
  • 22. 3. Einzelkritik 3.4 Erstattungsbetragsniveau? - zweckmäßige Vergleichstherapie: z.B. generische Therapie (Diabetes, Metformin); - Preisniveau: generisches Niveau?; - bisher: Aufgabe der Rahmenvertragspartner für Preisver- handlungen (SpiBu, Pharma): zusätzliche Kriterien für Er- stattungsbetragsvereinbarungen; Dr. Ulrich Orlowski 22
  • 23. 3. Einzelkritik - Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sollen angemessen berücksichtigt werden (§ 130b Abs. 6 Satz 3); ▪ vergleichbare Arzneimittel: nur generische Therapie? ▪ auch patentgeschützte Therapie? (z.B. patentgeschützte Gliptine); Dr. Ulrich Orlowski 23
  • 24. 4. Grundsätzlich?? 4.1 Lernendes System: - G-BA (Expertenworkshop), Gesetzgeber bereit das AMNOG-System weiter zu entwickeln soweit notwendig und sinnvoll!; - Stabilität des neuen Bewertungsverfahrens muss grundsätz- lich gewahrt bleiben soweit nicht …..? Dr. Ulrich Orlowski 24
  • 25. 4. Grundsätzlich?? 4.2 Attraktivität von Innovationen auf deutschem Markt zu diesen Konditionen? - freier Marktzugang mit freier Preisbildung des P.U. bleibt ! (Alternative: obligatorische frühe Nutzenbewertung vor Marktzugang); - frühe Nutzenbewertung belohnt Zusatznutzen in transparen- tem, schnellen und fairen Verfahren; Dr. Ulrich Orlowski 25
  • 26. 4. Grundsätzlich?? - Verhandlungen des Erstattungsbetrages erlauben: ▪ Berücksichtigung von F. u. E.! (Ziel ist nicht das generische Preisniveau!); ▪ Anforderungen an Qualität, Zweckmäßigkeit und Wirt- schaftlichkeit V.O.; ▪ Vertragspartner haben es in der Hand, Erstattungsbetrag und –konditionen zu vereinbaren, die Innovationsrendite berücksichtigen. Dr. Ulrich Orlowski 26
  • 27. 4. Grundsätzlich?? 4.3 Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen? - bisherige Verlässlichkeit? (1992 bis 2009); - zukünftige Verlässlichkeit: ▪ Stabilität der Rahmenbedingungen im „lernenden System“? Dr. Ulrich Orlowski 27
  • 28. 4. Grundsätzlich?? 4.4 „Was haben wir sonst noch so gemacht?“ - Kartellrecht (Rabattverträge, 8. GWB-Novelle); - AMNOG (§ 140b Abs. 1 Nr. 8,9): P.U. als Vertragspartner von Krankenkassen bei Integrationsverträgen Dr. Ulrich Orlowski 28
  • 29. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Ulrich Orlowski 29